16.10.2017 (Montag) – Big Tree Camp (2800m) to Shira One Camp (3500m)

 

Am nächsten Tag wurden wir um 6 Uhr mit einem netten „Good morning!“ von unseren Guides geweckt. Wir nahmen uns den Luxus heraus noch ein wenig zu snoozen (welch eine Wohltat – immerhin hatten wir Urlaub), doch dann mussten wir uns der grausamen Realität stellen. Also machten wir uns kurz etwas frisch (und hier nochmals ein kleiner Tipp: nehmt Feuchttücher mit. Wenn ihr glaubt, ihr habt genug Feuchttücher dabei, nehmt noch mehr Feuchttücher mit. Dankt mir später.), putzten Zähne und zogen uns an. Unsere Kleidung hatte noch immer diesen leicht frischen Touch – etwas, was nicht mehr allzu lange anhalten sollte. Sorry für den Spoiler.

Danach fingen wir an, unsere Habseligkeiten zusammenzupacken – eine Sache, die schnell zu einem festen Bestandteils unseres Tages werden sollte. Nach ein paar Tagen ging es uns so routinemäßig von der Hand, dass man nicht mal mehr nachdenken musste. Sowas wie Schlafsack mit meinem Handtuch abwischen (ich weiß nicht, ob es an der Wärmflasche oder an der Atemluft lag, aber am Morgen war die Außenseite meines Nylonschlafsackes immer sehr nass), zusammenpressen, in die Hülle stopfen, meine aufblasbare Luftmatratze entlüften, zusammenrollen, in die Hülle stopfen, alles in die Tasche stopfen, etc.

Danach machten wir uns auf zum Frühstück. Es gab viel mehr Auswahl, als jemand von uns gedacht hätte. Natürlich Kaffee – Africafe – und heißes Wasser (woraus Chirurgenwelpe und ich uns Cocatee machten, was angeblich bei der Akklimatisierung helfen sollte), aber auch frische Papaya mit Limette (lecker!), Omelette, Toast und Porridge.

Ach ja, das Porridge. Etwas, an das wir uns selbst jetzt noch mit gemischten Gefühlen zurückerinnern. Es war (und ich bemühe nun wirklich das netteste Vokabular, das mir einfällt) interessant. Also zumindest die Konsistenz war interessant. Und der Geschmack. Aber wir fanden schnell heraus, dass es mit hineingeschaufelter Erdnussbutter tatsächlich sowas wie annehmbar war. Und es gab genügend Energie für den Tag. Vermutlich auch der einzige Grund, weswegen wir es immer wieder aßen.

Während des Frühstück hatten wir die Gelegenheit, unsere wenigen Suaheli-Kenntnisse anzubringen. Vor allem „maji moto tafadhali“ wurde oft und rege benutzt. Der Africafe war übrigens auch so beliebt bei uns, dass die Dose nicht mal den ganzen Trek über hielt. Sorry für diesen weiteren Spoiler.

Schließlich, nachdem alle Teilnehmer und alle Taschen startklar waren, starteten wir unseren Tag. Heute sollten wir zuerst weiterhin durch Regenwald und dann durch Moorland wandern.

Unsere Gruppe begann tatsächlich, so etwas wie Freundschaften zu knüpfen und so wurden auch die Gespräche deutlich interessanter. Zumindest hielten wir uns nicht lange mit Smalltalk auf, sondern diskutierten viel länger, als es eigentlich gesellschaftlich angebracht war, über das Buch (und den Film) „Herr der Ringe“. Vor allem darüber, welcher Charakter der heißeste war und wie viel man uns bieten müsste, damit wir Sex mit Gimli haben würden. (Wir schieben dieses Gespräch immernoch gerne auf die Höhenluft übrigens. Und darauf, dass wir nun mal deutlich mehr Mädels als Jungs in der Gruppe hatten.)

Während der Wanderung legten wir doch viele Pausen ein. Vorwiegend Pinkelpausen. Das lag vor allem daran, dass wir wirklich (entschuldigt den Ausdruck) soffen wie die Löcher. Zum einen war es wirklich anstrengend, zum anderen war eine der besten Prophylaxen gegen Höhenkrankheit ausreichend hydriert zu bleiben. Und das hieß, mindestens 2.5 l pro Tag zu trinken. Und die mussten eben auch irgendwann wieder raus.

Für uns Mädels hatten diese Pinkelpausen noch einen weiteren Vorteil. Wir bondeten (mir fällt gerade keine passende deutsche Übersetzung ein,  tut mir leid) hart miteinander. Wenn man sich mal mit heruntergelassenen Hosen überrascht hat, kann man genauso gut auch gleich befreundet sein. So einfach ist das.

Es war insgesamt eine wirklich wunderschöne Landschaft, jedoch traf uns ein Hagel- bzw. Regenschauer gegen Ende hin doch ziemlich unerwartet. Die Leute mit nur ungenügender Regenkleidung (resultierend daraus, dass noch immer zwei Gepäckstücke fehlten) traf es am härtesten und so war es kein Wunder, dass die Laune bei einigen Teilnehmern ziemlich gegen 0 tendierten. Zum Glück war es möglich, die Stimmung mit dem Soft Kitty Song (bekannt aus „Big Bang Theory) zu retten.

Schließlich und endlich erreichten wir nach ca. 6.5 h Wanderung unser heutiges Ziel: Shira One Camp. Unser Team war schon vor uns angekommen, hatte sämtliche Zelte aufgestellt und uns Popcorn und heiße Schokolade zubereitet. Wir waren allesamt froh, unsere Regenkleidung trocknen lassen zu können und uns mit einem warmen Getränk wieder aufzuwärmen. Und unsere müden Beine dankten uns ebenfalls.

Max wollte erneut wissen, wie wir uns fühlen und auch unser Health Buddy durfte etwas zu unserer Konstitution sagen. Ich fühlte mich immernoch ziemlich gut – keine Kopfschmerzen, keine Übelkeit und mehr als genug Appetit -, also gab ich mir selbst eine 0 auf der Skala. Es gab jedoch Teilnehmer, die von Kopfschmerzen geplagt wurden und wir litten alle stellvertretend mit ihnen.

Danach hatten wir erstmal zwei Stunden Pause bis zum Abendessen. Chirurgenwelpe und ich machten unser Nachtlager parat. Übrigens auch etwas, in dem wir langsam Routine bekamen und vor allem wussten wir inzwischen, was wir unbedingt in der Nähe brauchten (Toilettenpapier, Stirnlampe, Wasserflasche, Feuchttücher, Desinfektionsmittel). Ich entspannte mich danach mit meinem Kindle und einem wirklich spannenden Buch („Guilty By Reason Of Insanity“ von Dorothy Lewis (das ist ein Link zu Amazon, aber ich verdiene für diesen Tipp tatsächlich nichts)), Chirurgenwelpe schlief erstmal eine Runde. (Auch etwas, was zur Routine werden sollte. Spoiler Nummer 3 oder 4.)

Als ich in der untergehenden Sonne dann mal durchs Lager streifte, erhaschte ich den ersten richtigen unverbauten Blick auf den Gipfel. Und – ich muss es leider gestehen – ich fing spontan an, richtig heftig loszuheulen. Ich wurde von meinen Emotionen so überwältigt, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Ich war wirklich hier – in Tansania, in Afrika, auf dem Weg zum Gipfel des Kilimandscharos! Und dort war er. Einfach so. Bumm! Es war wirklich zu viel für mich. Und meine Tränen gaben doch noch viel Stoff für erheiterte Kommentare. Obwohl ich glaube, dass niemand wirklich völlig ungerührt von diesem Anblick war.

Und es gab noch ein Highlight – zumindest für Tara. Diese hatte ja ihre Zahnbürste im Hotel vergessen, was sie noch immer ziemlich fuchste (verständlicherweise), und keiner von uns konnte ihr aushelfen, weil wir alle nur eine Zahnbürste dabei hatten. Und Zahnbürste teilen kam für niemanden von uns in Frage. Auch Pinkelfreundschaften hatten irgendwo Grenzen. Und so hatte sich Tara damit abgefunden, ihre Zähne während des Treks nur noch mit ihrem Finger putzen zu können.

Aber alles kam anders als gedacht.

Tara lernte eine schwedische Familie kennen, die ebenfalls auf dem Weg zum Gipfel waren. Und diese hatten (Fanfare bitte) eine nicht benötigte Zahnbürste dabei! Diese wurde unser vielen, vielen, vielen Dankbarkeitsbezeugungen überreicht und hinterließ eine sehr, sehr glückliche Tara. Die Schweden hingegen schienen sehr zufrieden damit zu sein, jemanden so fröhlich gemacht zu haben. (Und ich hab diese einmalige Begebenheit auf Video aufnehmen können. Ich bin froh, Zeuge dessen gewesen zu sein. Wenn auch verheult.)

Das Abendessen war mal wieder überragend. Es gab Gemüsesuppe zur Vorspeise, danach Reis mit Gemüse und als Dessert Ananas. Es war sehr lecker, sehr üppig und am Schluss fühlten wir uns alle pappsatt. Und soweit ich das beurteilen konnte, fehlte noch niemanden der Appetit.

Anstatt sofort ins Fresskoma zu fallen diskutierten wir den nächsten Tag. Max hatte uns wieder einen kurzen Überblick darüber gegeben, was uns erwarten würde – und das war tatsächlich nicht ohne. Wir würden ins Shira Two Camp auf 3800 m weiterlaufen, aber mit einem kleinen Umweg über „The Cathedral“ auf 3880m. Dieses „hoch wandern, tief schlafen“ hat sich als weitere Prophylaxe zur Höhenkrankheit gut bewährt und so waren wir alle ziemlich motiviert, diesen kleinen „Umweg“ zu machen. Allerdings waren wir uns nicht sicher, was wir anziehen sollten.

Auch diskutierten wir lang und breit über den summit day (Gipfelaufstiegstag klingt so doof, finde ich). Auf dem Vorbereitungswochenende hatte man uns eingeschärft, die Temperaturen auf dem Kilimandscharo nicht zu unterschätzen. Chirurgenwelpe und ich hatten uns daher ziemlich warme Handschuhe gekauft – doch jetzt zweifelten wir daran, ob wir sie wirklich brauchen würden, denn keiner aus der Gruppe hatte solche dabei. Nun gut, better safe than sorry war ja schon immer unser Motto gewesen. Und we’ll cross this bridge when we come to it.

Danach löste sich unsere traute Gemeinsamkeit ziemlich schnell auf. Wir ließen uns noch maji moto in unsere treuen Nalgene-Flaschen füllen und krochen dann (nach der üblichen Abendroutine wie Feuchttücher benutzen und Zähneputzen) in unsere Schlafsäcke.

Die Nacht war – zumindest für mich – keine allzu gute. Das lag unter anderem daran, dass ich öfter auf Toilette musste (was nicht ohne gehöriges Fluchen vonstatten ging, da man in die Kälte hinaus musste) und dass ringsherum doch ziemlich geschnarcht wurde. Aber irgendwann schien ich doch eingeschlafen zu sein, denn in meinem Tagebuch der Reise steht nur „schlechte Nacht, verwirrende Träume“. Aber die behalte ich lieber für mich…

 

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